Berg, 21. Januar 2013

Pressemitteilung der Guglmänner anläßlich der Ausstrahlung des Beitrags „Hinter den Traumkulissen – Ludwig II.“ im Bayerischen Fernsehen am 18. Januar.

Rezension des Films Ludwig II.
Regie und Drehbuch: Peter Sehr und Marie Noëlle

Gibt es zwei Versionen des Films Ludwig II.?

Um es gleich vorweg zu nehmen: dieser Film besticht durch die Leistung der hervorragenden Schauspieler, allen voran des Ludwigdarstellers Sabin Tambera, aber auch Richard Wagner, Lutz und Elisabeth waren ganz hervorragend besetzt. Die Filmtechnik, die Kameraführung und die Regie sind ebenfalls als exzellent einzustufen. Auch die Freunde der Musik von Richard Wagner kommen voll auf ihre Kosten. Das Drehbuch von Peter Sehr und Marie Noëlle, das den jungen König in den Mittelpunkt stellt, ist ebenfalls ein wirklich gelungener und legitimer Versuch, sich der Persönlichkeit Ludwigs über die Ereignisse in seiner Jugendzeit zu nähern.

Im 19. Jahrhundert gab es keinen Jugendkult wie heute. Die Jungen ließen sich Bärte wachsen, um älter auszusehen und ernstgenommen zu werden. Wenn in dieser Zeit ein 18-jähriger (selbst in unserer Zeit liegt die Volljährigkeitsgrenze von 21 Jahren noch nicht so lange zurück) urplötzlich zur Majestät wird und eines der wichtigsten und bedeutendsten Staaten des Kontinents – Bayern war ja eine wichtige Macht – regieren soll; wenn man noch bedenkt, daß dieser Jüngling noch extrem sensibel war, der dann von einer Ministeroligarchie gezwungen wird Krieg zu führen und diesen dann auch noch verliert und die Souveränität Bayern aufgeben und sich dem Blutkanzler Bismarck auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sieht, ja an der Seite dieses Kriegsverbrechers das Nachbarland Frankreich überfallen und demütigen muß (Ludwig war der einzige deutsche Fürst, der dieser Freveltat „Kaiserproklamation in Versailles“ ferngeblieben ist) - dann läßt sich sein Verhalten anders als bisher einordnen.

Eben nicht als Wahn und Wahnsinn sondern als in völliger geistiger Klarheit auf die Wohlfahrt seines Volkes bedacht, das großen Unheil vorausahnend aber nicht verhindern könnend, das Bismarck und sein Nachfolger Hitler über Deutschland bringen werden. Und für Bismarck war er dadurch zu einer unkalkulierbaren Größe geworden. Ludwig war ein hochsensibler Visionär und litt darunter. Bis dahin ist dieser Film genial.

Im zweiten Teil aber, der Alter und Tod des Monarchen beleuchtet, verfällt die Geschichte wieder in die uralten Lügenklischees. Ludwig hätte sich nicht mehr um den Staat gekümmert - Hunderte von Signaten noch aus den letzten Lebenstagen beweisen das Gegenteil. Er hätte Gudden getötet und hätte dann den Freitod im See gesucht. Selbst Details wie, „der Schüssel zum Turm, um sich hinabstürzen zu können“, werden wieder aufgewärmt. Wer Neuschwanstein kennt, weiß, daß man sich dort aus jedem beliebigen Fenster zu Tode stürzen könnte, die Schlüssel-zum-Turm-Lüge ist extrem unglaubwürdig. Man wird den Verdacht nicht los, daß im zweiten Teil Einfluß auf die Regie genommen wurde, am auffälligsten wird dies in der Todesszene die eine direkte – und leider schlechte – Kopie des Films von Helmut Käutner ist; sie steht in diametralem Gegensatz zu den hervorragenden Bildgestaltungen des ersten Teils.

Vollends erhellend ist auch das Making-off, das im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wurde: dort sprechen die interviewten Schauspieler alle eigenartigerweise vom ungeklärten Tod des Königs, vom Geheimnis, vom ewigen Rätsel. Der Film aber zeigt ganz konkret die Selbstmordversion. Gibt es vielleicht eine andere Fassung dieses Films, die das Ende zumindest offen läßt (wie dies ja auch in der Pressemitteilung dargestellt wurde) Wurde diese Urfassung zensiert? Die Guglmänner fordern, daß diese ursprüngliche Fassung – von der die Schauspieler ganz offensichtlich sprechen – dem Volk gezeigt wird und zwar im Bayerischen Fernsehen.

Auch durch die Interviews im Making-off versucht man die Geschichtslüge zu verfestigen. So spricht der Schauspieler Peter Simonischek davon, Ludwig hätte 150 kg gewogen (was nicht stimmt), er hätte zur Roseninsel schwimmen wollen (was ja völlig sinnlos gewesen wäre, da ja ein Fluchtboot vorhanden war), er wäre mit diesem Körpergewicht untergegangen (was physikalische Blödsinn ist; auch Dicke können schwimmen). Interessant ist auch das Interview mit der Schauspielerin Hannah Herzsprung, sie spricht davon, daß das Gerücht besteht, man habe den König niemals gefunden, was sie als Kind beim Baden im Starnberger See sehr geängstigt hätte. Dieses Gerücht ist aber nichts anderes, als das Wissen in der Bevölkerung, daß Ludwig eben nicht ertrunken ist, keinen Selbstmord begangen hat, sondern auf andere Weise gewaltsam durch den Blutkanzler Bismarck zur Seite geschafft wurde. Auch das Gerücht, man hätte eine Wachspuppe beerdigt und die Tatsache, daß bis auf den heutigen Tag das Haus Wittelsbach sich weigert, den Sarkophag öffnen zu lassen, bestätigt diesen Verdacht. Nun kommt auch noch der Verdacht einer Zensur dieses Films dazu.

Diejenigen, die noch heute ein Interesse daran haben, Ludwig als Mörder und Selbstmörder zu brandmarken, sind sich offenbar sehr wohl bewußt, wie leicht sich durch Historienfilme die historische Wahrheit manipulieren läßt. Es ist auffällig, daß alle drei großen Ludwigfilme, Käutner, Visconti und jetzt auch Peter Sehr und Marie Noëlle mit der immergleichen Selbstmordversion enden. Hier wird seit Jahrzehnten eine Legende aus Zelluloid in die Welt gesetzt, die der Wahrheit nicht entspricht. Die ernsthafte Ludwigforschung (Dr. Peter Gauweiler, Peter Glowasz, Albert Widemann) kann dies eindeutig belegen. Um so unverständlicher - aber auch verdächtiger ist es, daß die immergleichen Lügenmärchen die Grundlage der Filme liefern. Da aber jede Ludwigverfilmung zwangsläufig darauf angewiesen ist, in den Schlössern drehen zu dürfen, wird man den Verdacht nicht los, daß anderen, wahrhaftigeren Drehbuchentwürfen einfach keine Genehmigung für die Drehorte zuteil wird.

Das bayerische Volk läßt sich aber nicht so leicht übertölpeln. Man weiß sehr wohl, daß der König erschossen wurde und Gudden ebenso – deshalb ist dieser Film am Ende zu einem Flop geraten der nur wenige Wochen in den Kinos lief, obschon eine gewaltige PR- und Werbemaschinerie bis hin zum Making-off im Bayerischen Fernsehen zur besten Sendezeit die Menschen in die Kinos zu zwingen versucht hat. Bei der Filmpreisverleihung spricht es der Ludwigdarsteller Sabin Tambera direkt an: „Gehen Sie ins Kino, solange er noch läuft.“ Aber warum sollte man sich immer wieder die Lügengeschichte vom Selbstmord anschauen? Fazit: eine Jahrhundertchance wurde leider vertan.